Wer die Überschrift liest, wird vermutlich den leicht provokativen Unterton bemerkt haben. Dennoch steckt in der Frage eine Menge Wahrheit, wie unter anderem auch dem aktuellen Artikel des Macworld-Redakteurs Jason Snell zu entnehmen ist, den ich zum Anlass für diesen Kommentar nehmen möchte. Als Apple 3D Touch als neues, herausstechendes Feature des iPhone 6s im vergangenen Herbst vorstellte, war die Rezeption der meisten Beobachter durchgehend positiv. Apple hatte es nicht nur geschafft, die Force Touch Technologie von der Apple Watch auf das iPhone zu übertragen, sondern diese auch noch an das unterschiedliche Bedienkonzept anzupassen. Nicht zu vergessen, die zugrundeliegende Technologie, die das Display drucksensitiv werden lässt und das zugehörige Feedback durch die Taptic Engine. Rein technisch also eine wirkliche Meisterleistung.
Sechs Monate später weicht diese Begeisterung jedoch immer mehr der Erkenntnis, dass 3D Touch eigentlich die Lösung für ein Problem darstellt, welches überhaupt nicht existierte. In meinem persönlichen Verhalten stelle ich dabei fest, dass ich die Funktion so gut wie überhaupt nicht verwende. Dabei muss man allerdings zwischen den beiden grundlegenden Funktionen von 3D Touch unterscheiden. So gibt es auf der einen Seite die sogenannten Qucik Actions, die bei unterstützten Apps für ein Schnellwahlmenü sorgen, sobald man stark auf das Icon auf dem Homescreen drückt. Diese Funktion nutze ich sogar in der Tat für verschiedene Apps. Beispiele hierfür sind die Telefon-App, die mich auf diesem Wege schnell auf meine Favoriten zugreifen lässt, Shazam, bei dem ich per Quick Action direkt einen neuen Scan vom Icon aus starten kann oder auch meine Navigon-App, die mich per Quick Action schnell nach Hause schickt.
Die andere 3D Touch Funktion ist "Peek and Pop". Hierbei drückt man stärker beispielsweise auf einen Eintrag in einer Tabelle, wie in der Übersicht des Mail- oder Nachrichteneingangs, woraufhin sich eine Vorschau auf den Inhalt dieses Eintrags über den Displayinhalt legt. Genau diese Funktion steht bei mir im Zentrum der Kritik. Mir erschließt sich einfach nicht der Vorteil gegenüber dem direkten Öffnen des Eintrags, statt zunächst über eine Vorschau zu gehen. Hieraus ergibt sich für mich weder eine Zeitersparnis, noch ein funktionaler Vorteil. Statt einfach einen Eintrag anzutippen, drücke ich einmal fest auf ihn, woraufhin sich die Vorschau öffnet und dann noch einmal stärker, um den Eintrag komplett zu öffnen. Genau genommen ist dies sogar ein Arbeitsschritt mehr. Schlimmer noch: Die Vorschau kann eigentlich nur sehr eingeschränkt genutzt werden, da eben die ganze Zeit der Daumen auf dem Display belassen werden muss. In meinem Fall hat dies dazu geführt, dass ich "Peek and Pop" nach der anfänglichen Herumspielphase mit dem iPhone 6s nie wieder produktiv genutzt habe.
Dabei steckt in der Technologie eigentlich jede Menge Potenzial. Ein Potenzial, von dem auch Jason Snell glaubt, dass Apple dies in iOS 10 (oder einer späteren Version) deutlich besser nutzen sollte. Unter anderem könnte man so zum Beispiel die Buttons im Kontrollzentrum mit Quick Actions belegen und so noch hilfreicher machen. Ein Beispiel wäre das WiFi-Icon über das man mit einer Quick Action zwischen verschiedenen Netzwerken wechseln könnte. Auch das Notification Center kommt aktuell komplett ohne 3D Touch Funktionen aus. Das Problem ist, dass man hinter verschiedenen Bedienelementen 3D Touch vermuten könnte, es hier jedoch nicht findet. Ein ähnliches Problem übrigens, welches ich bei der Apple Watch ausgemacht hatte. Hier war ich mir in meinem Testzeitraum nie wirklich sicher, ob ich nun Force Touch, Multi Touch oder die digitale Krone verwenden sollte. Die Komplexität steigt und steht der Benutzerfreundlichkeit damit irgendwie im Weg.
Im Endeffekt ist 3D Touch, genauer genommern "Peek and Pop" nichts weiter als eine nette Spielerei. Und ja, viele Nutzer lieben Apple für eben genau diese netten Spielereien und Detailverliebtheiten. Ein Beispiel hierfür ist die Verwendung von 3D Touch zum Animieren des Homescreens, so lange man dort einen entsprechenden Hintergrund konfiguriert hat. Spielerei, mehr nicht. Allerdings wurde 3D Touch als ein herausragendes Feature und damit auch als Kaufargument für das iPhone 6s verkauft und nicht eben als kleines Easteregg beigelegt. Das Potenzial ist wie gesagt zweifellos vorhanden. Alleridngs muss Apple einen Weg finden, 3D Touch genau so natürlich und intuitiv in iOS zu integrieren, wie dies einst bei Multi Touch der Fall war. Und es muss systemweit funktionieren, so dass man nicht, wie oben beschrieben, erst ausprobieren und hoffen muss, dass es an verschiedenen Stellen funktioniert. Selbstverständlich sind hier auch die Entwickler von Drittanbieter-Apps gefordert. Das Problem ist dabei, dass die Funktion aktuell auf gerade einmal zwei Geräten, nämlich dem iPhone 6s und dem iPhone 6s Plus zur Verfügung steht.
Es dürfte spannend zu sehen sein, wie Apple 3D Touch in den kommenden Jahren ausbauen wird. Der aktuelle Stand kann definitiv noch nicht alles gewesen sein.