Worauf man sich in den vergangenen Jahren stets verlassen konnte, war das Apple jeden Herbst eine neue iPhone-Generation auf den Markt bringt. Bei allen anderen Hardware-Produkten aus Cupertino gibt es inzwischen keinen regelmäßigen Update-Zyklus mehr. In Sachen iPad muss die künftige Strategie abgewartet werden, der einstige Heilsbringer iPod fristet ohnehin bereits ein Nischendasein und die Apple Watch muss erst noch ihren Platz finden. Noch schlechter dran ist man als Mac-Nutzer. Der aktuelle, intern überarbeitete iMac stammt aus dem Oktober 2015. Beim MacBook Pro wartet man seit ziemlich genau einem Jahr auf neue Modelle, beim MacBook Air sind es gar noch zwei Monate mehr. Noch düsterer sieht es beim Mac mini aus, der zuletzt im Oktober 2014 aktualisiert wurde, und beim Mac Pro, der aus dem Dezember 2013 stammt. Klar werden die Innovationszyklen bei den weitestgehend ausgereiften Produkten immer länger, dennoch hinkt Apple hier dem Markt inzwischen deutlich hinterher. Und das bei (weiter steigenden) Premium-Preisen. Lässt sich hier ein Trend erkennen, der Apple eher weg vom klassischen Hardware-Geschäft und hin zum Geschäft mit digitalen Diensten führt?
Die letzten Hardware-Veröffentlichungen aus Cupertino glänzten weniger durch Innovation, als mehr durch (bestenfalls) Produktpflege. Und dies wirkt sich so langsam auch auf die Absatzzahlen aus. Sicherlich standen Apples letzte Quartalszahlen stark unter dem Eindruck der momenten schwächelnden Weltwirtschaft. Doch dies wird nicht der einzige Grund für den ersten Absatzrückgang seit über zehn Jahren sein. Vielmehr gehe ich davon aus, dass Apple allmählich auch die Quittung für die aktuelle Strategie bekommt, die weiterhin hohe Preise für die (nach wie vor sehr guten) Produkte vorsieht. Wirkliche Innovationen blieben dabei in den letzten Monaten allerdings aus. Mir kommt dabei Phil Schillers Ausspruch bei der Vorstellung des (seither unveränderten) Mac Pro im Jahr 2013 in den Sinn: "Can't innovate anymore, my ass!". Frei (und jugendfrei) übersetzt bedeutet dies soviel wie "Von wegen wir bringen keine Innovationen mehr!". Auch ich als Apple-Anhänger stelle mir allerdings mehr und mehr die Frage, wo denn diese Innovationen aktuell sind.
Ja, ich weise bei jedem Apple-Event darauf hin, dass man die Erwartungen in die Neuvorstellungen nicht allzu hoch hängen sollte. Innovationen brauchen Zeit und können nicht bei jedem Event und bei jeder Produktaktualisierung aus dem Hut gezaubert werden. So langsam würde aber auch ich mir mal wieder einen Wow-Effekt wünschen. Aktuell liegt der Fokus augenscheinlich eher darauf, die Produkte immer dünner zu machen und in verschiedenen Goldfarben auf den Markt zu bringen.
Dafür wird offenbar an anderer Stelle aufgerüstet. Hat man bei den letzten Bekanntgaben der Quartalszahlen etwas genauer hingeschaut, fiel auf, dass Apple immer mehr Wert darauf legt, zu betonen, wie stark das Geschäft mit den digitalen Diensten wächst. AppStore, iTunes Store, Apple Music und iCloud stehen offenbar derzeit im Fokus. Die Produktion von eigenen, exklusiven TV-Inhalten dürfte der nächste Schritt sein, der vermutlich auf der WWDC verkündet wird. Ein weiteres Indiz ist das kürzliche Investment Apples in das chinesische Uber-Pendant Didi Chuxing. Dies wäre nicht weiter ungewöhnlich. Die Höhe der Finanzspritze lässt jedoch aufhorchen. Eine satte Milliarde US-Dollar überwies Apple nach Fernost - bei einigermaßen ungewissem Return on Investment. Laut Tim Cook möchte man auf diese Weise eine bessere Einsicht in die chinesischen Marktgepflogenheiten bekommen. Aber mal ehrlich: Eine Milliarde Dollar dafür?! Aus meiner Sicht steckt da mehr dahinter. Didi Chuxing ist ein chinesischer Anbieter, die der Staat gegenüber ausländischen Diensten (wie besipeislweise Uber) deutlich stärken will. Apple selbst hat dies kürzlich am eigenen Leibe zu spüren bekommen, als China kurzerhand den iBookstore und den iTunes Movie Store im Reich der Mitte vom Netz nahm. Das Investment in ein dort ansässiges Unternehmen dürfte also sowohl politisch motiviert sein, als auch dadurch, dass man hiermit einen Fuß in der Tür eines wichtigen Dienstes hat. Zumal man über diesen Dienst auch potenziell wertvolle Daten für selbstfahrende Autos sammeln könnte, wie das Wall Street Journal anmerkt.
Nun ist ein Fokuswechsel hin zu digitalen Diensten nicht weiter verwerflich, solange die Hardware-Sparte dabei nicht komplett abgehängt wird. Genau dies geschieht momentan allerdings nach Ansicht vieler Beobachter und potenzieller Kunden. Und auch Apple selbst hat für das laufende Quartal erneut einen Absatzrückgang angekündigt. Viel wichtiger wäre allerdings, dass die digitalen Dienste, sollten sie denn tatsächlich stärker in den Fokus rücken, auch wirklich gut funktionieren. Frei nach dem einstigen Steve-Jobs-Mantra "It just works.". Dies ist leider in den vergangenen Monaten nicht immer der Fall gewesen. Immer wieder waren iTunes- und AppStore von Ausfällen geplagt. Mal konnten keine Käufe getätigt werden, mal waren keine Suchanfragen möglich. Auch iCloud ist immer wieder von Ausfällen betroffen und die jüngsten Meldungen zu einem Datenbankfehler in iTunes, der in Kombination mit Apple Music zu Problemen mit eigenen Musiktiteln führte, helfen auch nicht dabei, das Vertrauen der Nutzer zu gewinnen. Umstände, die selbst einen Apple-nahen Blogger wie Jim Dalrymple zu emotionalen Aussagen bewegen wie: "I don’t care if it’s iTunes or Apple Music—this is my music library! Fix this shit.". Ja, Software ist in der Regel nie ganz fehlerfrei und bei Apple schaut man vielleicht noch einmal ein wenig genauer hin. Dennoch sind die aktuellen Probleme schon sehr auffällig.
Mir persönlich fehlt bei Apple momentan irgendwie ein wenig die Linie, der Fokus. Hardware wird über Monate, teilweise Jahre nicht aktualisiert und die digitalen Dienste glänzen mehr durch Ausfälle und Probleme als durch "It just works". Stattdessen versucht man sich am schwierigen Gesundheitsmarkt, der zugegebenermaßen derzeit ein Trend ist. Allerdings hat die Apple Watch noch nicht wirklich ihren Platz gefunden und ist vermutlich auch deswegen noch nicht zum Massenphänomen geworden. Zweifelsohne wichtige Vorstöße wie die Frameworks CareKit und ResearchKit werden in den Fokus gerückt, bedienen allerdings im Endeffekt eher eine Nische. Auf Apple-Events wird inzwischen jede Menge Zeit für die Vorstellung der eigenen Umweltbemühungen eingeräumt, was in jedem Fall begrüßenswert und wichtig ist, frei nach dem Motto "Tue Gutes und sprich darüber". Das Verhältnis zu den eigentlichen Kernprodukten stimmt aus meiner Sicht aber nicht mehr.
Die kommenden Monate werden zeigen, ob ich dies einfach nur falsch einschätze, oder wohin die Reise gehen wird. Ich bin nach wie vor von Apple überzeugt, allerdings sollte sich Cupertino aus meiner Sicht eher auf die Kernkompetenzen konzentrieren und dies auch dem Kunden gegenüber wieder in den Vordergrund rücken.