Etwas mehr als zwei Monate halte ich das iPhone X nun in den Händen und nutze damit auch die neue biometrische Funktion Face ID. Zeit, ein erstes kleines Fazit zu ziehen und dabei vor allem den Vergleich mit Touch ID heranzuziehen. Bei dieser Betrachtung möchte ich zu Beginn vor allem den Aspekt der Sicherheit klarstellen. Sämtliche bislang bekanntgewordene Möglichkeiten, sowohl Face ID, als auch Touch ID auszutricksen sind für mich absoluter Blödsinn. Ja, man kann sich einen Fingerabdruck aus Silikon basteln und damit Touch ID überlisten. Ja, man kann sich eine Silikonmaske a la Mission Impossible basteln und Face ID damit ein echtes Gesicht vorgaukeln. Im Alltag haben diese Methoden jedoch null Relevanz. Apple möchte mit Face ID und Touch ID nicht den Atomknopf des US-Präsidenten schützen, sondern das Entsperren eines iPhone durch jedermann im Alltag verhindern - und dies gelingt mit beiden Methoden.
Wie sieht es nun aber funktional aus? Beide Methoden funktionieren bzw. funktionierten bei mir überraschend gut. Gerade bei Face ID war (nicht nur) ich zunächst skeptisch, wie es sich in verschiedenen Situationen tatsächlich schlägt. Hier hat Apple tatsächlich ganze Arbeit geleistet. Dennoch geht im Vergleich Face ID vs. Touch ID für mich der Fingerabdrucksensor als Sieger hervor. Lasst mich euch erklären warum.
Allein schon von der Methode des iPhone-Entsperrens her ist eigentlich klar, dass Touch ID flexibler ist als Face ID. Mit dem Fingerabdrucksenor ist es prinzipiell egal, in welcher Position sich das iPhone befindet, wie weit es von einem weg liegt und ob ich dort gerade hinschaue. Das iPhone X hingegen muss ich mir explizit vor das Gesicht halten, damit das Entsperren gelingt. Nun ist es in den meisten Situationen natürlich so, dass ich irgendwas mit dem Gerät machen möchte wenn ich es entsperre und dann schaue ich ohnehin auf das Display. Dies ist aber beispielsweise nicht der Fall, wenn das iPhone neben einem liegt und man nur den Displayinhalt sehen möchte. Dies habe ich bereits mehrfach als ein wenig umständlich empfunden. Klarer Vorteil also für Touch ID, wo ein solches Szenario kein Problem darstellt.
Auch wenn Face ID in den allermeisten Situationen und auch in teils überraschenden Winkeln das Gesicht erkennt, gibt es doch mehr Situationen, wo es gegen Touch ID den Kürzeren zieht. Als erstes fällt mir dabei der morgendliche Griff zum iPhone auf dem Nachttisch ein. Meist drehe ich mich dabei auf die Seite, was Face ID in 90% der Fälle vor eine unlösbare Aufgabe stellt. Ich möchte jetzt nicht ausschließen, dass auch mein zerknittertes Gesicht nach dem Aufwachen eine gewisse Rolle spielt. Dies war Touch ID allerdings aus naheliegenden Gründen immer egal.
Wie bei allen fehlgeschlagenen Erkennungen, die aus einem unpassenden Winkel oder einem schief gehaltenen iPhone resultieren, wird Apple argumentieren: Dann halt es eben richtig. Ähnlich also, wie Steve Jobs seinerzeit beim Antennagate argumentierte: Du hältst das iPhone falsch. Diese Aussage war seinerzeit natürlich nicht lange zu halten, was bei Face ID anders aussieht. Ich muss hier einmal betonen, dass Face ID jedes, wirklich jedes Mal einwandfrei funktioniert, wenn ich das Gerät direkt vor mein Gesicht halte. Und auch aus schrägeren Winkeln ist die Erkennungsrate ausgesprochen hoch.
Ebenfalls ist alleridngs kürzlich aufgefallen: Während Face ID mit einer Brille oder Sonnebrille, wie von Apple beworben, tatsächlich keine Probleme hat, sieht es mit einer Skibrille schon anders aus. Dies kann man Apple freilich nicht vorwerfen, da es sich um eine nicht alltägliche Situation handelt und jede Technologie dann irgendwann mal an seine Grenzen stößt. Zum Vegrleich: Auch Touch ID funktioniert natürlich nicht mit den dicken Skihandschuhen. In beiden Fällen muss man also im Zweifel zur Eingabe des PIN-Codes greifen und hierzu den Handschuh ausziehen. Dann wiederum ist erneut Touch ID im Vorteil, denn wenn ich den Handschuh eh ausziehen muss, ist das Entsperren mit dem Fingerabdruck natürlich komfortabler.
Ein wenig ungewöhnlich mutet auch die Bestätigung von Käufen im iTunes- oder AppStore per Face ID an. Diese müssen mit einem Doppelklick auf den Sidebutton ausgelöst werden, woraufhin Face ID das Gesicht des Nutzers scannt. Keine Frage, hiermit möchte Apple versehentlich getätigte Einkäufe verhindern, allerdings wirkt die Einbeziehung des Sidebuttons nicht wirklich Apple-like. Ich muss sogar gestehen, dass ich beim ersten Auftreten nicht einmal wusste, was ich zu tun hatte. Vorteil: Touch ID.
Der Fairness halber muss man allerdings auch zugeben, dass auch Touch ID natürlich in bestimmten Situationen an seine Grenzen stößt. Als erstes fallen einem dabei natürlich nasse Finger ein. Ich hatte allerdings auch schon mit extrem kalten Fingern Probleme und kenne verschiedene Leute, wie unter anderem Handwerke, deren stark beanspruchte Hände Touch ID ein Schnippchen schlugen.
Insgesamt bleibt Touch ID für mich also weiterhin die komfortablere, weil flexiblere Lösung zur Entsperrung des iPhone. Nicht vergessen darf man dabei, dass es sich dabei natürlich um ein echtes First-World-Problem handelt. Natürlich kann man jederzeit den Code eingeben, sollten Face ID oder Touch ID einmal fehlschlagen. Mit der Einführung der beiden Methoden hat sich die Sicherheit so oder so extrem erhöht, da hierdurch nun so gut wie alle iPhones und iPads mit einer Codesperre versehen sind.
Ob nun Face ID oder Touch ID die sicherere Technologie ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Meldungen, wie das ein Kind das iPhone seiner Mutter per Face ID entsperren konnte oder Unterscheidungsprobleme bei Zwillingen kannte man bei Touch ID nicht. Laut Apple ist die Scantechnologie von Face ID allerdings aufgrund der unglaublichen Zahl von erfassten Datenpunkten die objektiv betrachtet sicherere Variante.
In Sachen Face ID darf man natürlich nicht vergessen, dass wie hier von der ersten Generation einer extrem komplexen Technologie sprechen. Auch Touch ID war zu Beginn nicht auf dem Level, auf dem es beispielsweise jetzt im iPhone 8 ist. Auch Face ID wird sich in den kommenden Jahren entwickeln und immer besser werden. Schon jetzt finde ich es, allen Unzulänglichkeiten zum Trotz, beeindruckend, was mit der TrueDepth Kamera möglich ist. Die darüber ebenfalls gesteuerten Animoji sind mir dabei völlig Wurscht. Dies ist aus meiner Sicht eine Spielerei, die nicht wirklich jemand braucht.
Für mich persönlich wäre die lange Zeit gehandelte Kombination aus Face ID und einem in das Display integrierte Touch ID die Ideallösung gewesen. Verschiedene Apple-Manager haben in den vergangenen Wochen jedoch mehrfach betont, dass man eine solche Kombination nie im Hinterkopf gehabt und von vornherein komplett auf Face ID gesetzt habe. Hinzu kommt, dass die passende Technologie im vergangenen Jahr einfach noch nicht zur Verfügung stand. Dies hat sich inzwischen geändert. Wird Apple also in künftigen Geräten auch einen Fingerabdruck im Display hinzufügen?
Ich denke nicht. Apple ist bei all seinen Entscheidungen in der Regel ziemlich radikal. Man denke nur an den Wegfall des Disketten- und später des CD-Laufwerks oder auch den kompletten Umstieg auf USB-C in den neuen MacBooks. Aus meiner Sicht wird man auch bei Face ID und Touch ID keinen Rückzieher machen und künftig auf die 3D-Gesichtserkennung setzen. Dies muss auch nicht schlecht sein, denn Face ID wird sich, wie bereits erwähnt, sicherlich rasant weiterentwickeln und stetig besser werden. Ich freu mich drauf!