Eines der Hauptthemen auf der diesjährigen WWDC-Keynote und vielleicht das von den meisten am heißesten erwartete war die Vorstellung von iOS 8. Aus diesem Grund widme ich mich dieser Neuvorstellung auch dieses Jahr wieder ein wenig ausführlicher. Inzwischen haben ich und diverse Entwickler sich durch die neuen Funktionen, Änderungen und Einstellungen der ersten Beta gewühlt und dabei nicht nur eine große Anzahl an Screenshots zu Tage gefördert, sondern auch verschiedene Details, die Apple auf der Keynote nicht gesondert vorgestellt hat. Ganz so umfassend und tiefgreifend wie iOS 7 im vergangenen Jahr ist der direkte Nachfolger natürlich nicht und das wahre Potenzial des Updates wird sich wohl erst im Herbst offenbaren, so dass man bis jetzt noch gar nicht alle Neuheiten wirklich greifen kann. Hinzu kommt, dass die erste Beta zumindest auf meinen Geräten noch sehr instabil und fehlerhaft ist. Ich würde dies aber mal als normal für eine erste Beta bewerten.
Nachdem man iOS 8 installiert hat, springt einem zunächst erstmal keine wirkliche Veränderung ins Auge. Rein optisch hat sich nämlich im Grunde genommen überhaupt nichts geändert. Dies war nach der Runderneuerung im vergangenen Jahr aber auch nicht zu erwarten. Auch die im Vorfeld der WWDC gehandelten neuen Icons, beispielsweise für Safari haben sich ebenso wenig bewahrheitet, wie das Gerücht, dass Apple iTunes Radio als eigene App in iOS 8 einbauen wird. Neu dabei ist allerdings in der Tat die gemunkelte Health-App, auch wenn sie in Sachen Optik und Name nicht dem entspricht, was im Vorfeld gehandelt wurde. Ansonsten ist aber in der Tat alles beim Alten.
Fangen wir also direkt mal mit der neuen App an. In den Wochen vor der WWDC deutete vieles darauf hin, dass die gemunkelte "Healthbook"-App sich nicht nur vom Namen, sondern auch von der Optik her an der Passbook-App orientieren würde. Dies bewahrheitete sich nicht. Statt der Darstellung der Daten in Kartenform, gibt es ein konfigurierbares "Dashboard", auf dem sich verschiedene Inhalte darstellen lassen. Momentan lässt sich mit der App noch nicht viel anfangen, da ganz einfach noch die datenliefernden Accessoirs fehlen. An dieser Stelle sind also die entsprechenden Hersteller gefragt, von Apples neuem Framework namens HealthKit Gebrauch zu machen und entsprechendes Zubehör anzubieten. Apple selbst wird dies wohl im Herbst mit der gemunkelten iWatch tun. Dankenswerterweise unterstützt die Health-App die Anbindung von Gesundheits- und Fitnesszubehör per Bluetooth nativ, so dass hierfür keine separaten Apps notwendig sind.
Ein aus meiner Sicht aber absolut sinnvolles und gutes Detail der Health-App ist der in der Tab-Bar auf den Screenshots oben ganz links zu sehende Bereich "Medical ID". Hier kann man verschiedene Daten hinterlegen, die in einem medizinischen Notfall hilfreich sein können. Neben dem Namen, einem Foto und dem Alter zählen hierzu auch Angaben wie Gewicht, Größe, die Blutgruppe, der Gesundheitszustand, Informationen zu Allergien und regelmäßig eingenommene Medikamente. Zudem können Notfallkontakte angegeben werden. Wirklich sinnvoll ist dies, da die Medical ID auch vom Lockscreen aus aufgerufen werden kann. In Zeiten von Touch ID und Codesperren ist dies schon beinahe unabdingbar, zumal sich die Notfallkontakte von hier aus direkt anwählen lassen.
Funktionell konzentrierte sich Apple auf der Keynote auf elf Hauptkomponenten von iOS 8. Prinzipiell gibt diese Aufstellung aber gar nicht so recht wieder, an welchen kleinen Stellschrauben Apple in wirklich jeder Ecke des Betriebssystems geschraubt hat. Dabei gibt es aus meiner Sicht keine großen Neuerungen, auf die man sich direkt stürzt, sondern vielmehr viele kleine, aber absolut sinnvolle Verbesserungen.
Herausragend ist dabei aus meiner Sicht die Einführung von interaktiven Notifications. Musste man beim Erhalt einer SMS oder iMessage bislang immer die gerade aktuelle App verlassen, um hierauf zu reagieren, kann man sie künftig einfach nach unten ziehen und bekommt dann weitere Optionen, wie beispielsweise das direkte Antworten. Dies funktioniert übrigens auch direkt vom Lockscreen aus, allrdings nur dann, wenn man in den Nachrichten-Einstellungen die Vorschau aktiviert hat. Schön ist zudem, dass Apple diese Funktion auch für Entwickler von Apps anbietet, so dass man künftig wohl auch auf Facebook-Nachrichten, etc. direkt wird antworten können.
Zum ersten Mal seit der Vorstellung des ersten iPhone hat sich Apple zudem der iOS-Tastatur angenommen. Zumindest wenn man mal von der optischen Überarbeitung mit iOS 7 absieht. Dabei herausgekommen ist QuickType, eine Leiste mit Wortvorschlägen über der Tastatur, die beim Eingeben der Buchstaben automatisch die drei vermeintlich passendsten Wörter vorschlägt. Neu ist dieser Ansatz freilich nicht, kennt man ihn doch bereits von diversen Tastaturen, z.B. aus dem Android-Lager. Nach meinem persönlichen Gefühl ist die Autokorrektur mit der neuen Tastatur auch deutlich zuverlässiger geworden. Selbstverständlich wird man nicht zur Nutzung von QuickType gezwungen. Man hat zwei Möglichkeiten, hierauf zu verzichten. Bei der ersten Deaktiviert man in den Einstellungen ganz einfach die Autokorrektur, womit auch QuickType komplett deaktiviert ist. Die andere Möglichkeit ist, die QuickType-Leiste mit einem Wisch nach unten zu einem etwas breiteren grauen Streifen zu verbergen. Dies deaktiviert QuickType und stellt die bislang gewohnte Tastatur wieder her. Ein Wisch nach oben blendet die Leiste entsprechend wieder ein und aktiviert QuickType.
Nicht zu vergessen ist natürlich auch, dass es mit iOS 8 erstmals möglich wird, alternative Tastaturen zu installieren. Namhafte Entwickler wie Fleksy und SwiftKey haben bereits angekündigt, ihre Produkte für iOS 8 anbieten zu wollen. Geschehen wird dies auf dieselbe Weise, nämlich mittels sogenannter Extensions, wie auch Widgets mit iOS 8 im Notification Center installiert werden können. Ein solches, soviel sei bereits verraten, wird es auch für Flo's Weblog geben. Ob dies dann so aussehen wird, wie im Screenshot unten oder doch komplett anders, kann ich aber noch nicht sagen.
Weitere absolut spannende neue Funktionen, hat Apple auch im Zusammenhang mit iCloud eingeführt. Eine davon nennt sich "Family Sharing" und bedeutet zusammengefasst, dass bis zu sechs Familienmitglieder auf sämtliche Einkäufe jedes Einzelnen zugreifen und diese nutzen können. Auf der zugehörigen Webseite gibt Apple zu bedenken, dass unter Umständen nicht alle Artikel hierfür genutzt werden können. Die Auflösung, was hierunter zu verstehen ist, lieferte Apple unter der Woche mit einer Mail an die Entwickler, in der man sie darum bat, ihre kostenpflichtigen App für die Nutzung im Rahmen von Family Sharing freizugeben. Notwendig ist dies natürlich, da die App in diesem Fall nicht mehr von sechs Personen, sondern nur noch von einer gekauft werden muss, damit alle sechs sie nutzen können. Allein aus Imagegründen ist jedoch davon auszugehen, dass die meisten Apps in diesem Rahmen ab Herbst nutzbar sein werden. Doch auch weitere "familienfreundliche Funktionen" bietet Apple auf diese Weise an. So sammelt ein gemeinsamer Familien-Fotostream auf Wunsch die Schnappschüsse aller Familienmitglieder und synchronisiert diese auf alle Geräte. Gleiches gilt für den gemeinsamen Kalender, der so zur Planung von Familienaktivitäten genutzt werden kann. Besonders spannend wird es jedoch, wenn Kinder für Einkäufe in den verschiedenen Onlinestores die Kreditkarte ihrer Eltern verwenden. Mit "Ask to Buy" wird dabei eine Erlaubnisanfrage an das Gerät der Eltern geschickt, die dann mit einem Tap entscheiden können, ob die Kinder den Einkauf durchführen dürfen oder nicht.
Die zweite iCloud-Neuerung nennt sich iCloud-Drive und ist eine echte Überraschung. War Apple bislang eigentlich für seine Bestrebungen bekannt, das klassische Dateisystem abschaffen zu wollen, bringt man nun mit iCloud-Drive genau das wieder zurück. Allerdings wirkt sich dies vor allem unter OS X Yosemite aus, wo man das Drive als tatsächlichen Ordner im Dateisystem zu Gesicht bekommt. Unter iOS 8 wird es hingegen so aussehen, dass iCloud-Drive weiterhin als Speicheroption in verschiedenen Apps zur Verfügung stehen wird. In der ersten Beta ist dies noch nicht der Fall. Es ist jedoch davon auszugehen, dass Apple diese Funktion noch in der Beta-Phase freischalten und vermutlich auch eine entsprechende Beta-Funktion auf der iCloud-Webseite anbieten wird.
Für mich persönlich ein absolutes Highlight, wenngleich auch ansonsten im Web nicht weiter beachtet, sind die Neuerungen, die Apple gemeinsam mit iOS 8 für die Anbindung an einen Exchange-Server anbieten wird. So wird man erstmals in der Lage sein, private Termin anzulegen und der Kalender zeigt erstmals auch die Kalenderwoche an. Nur sehr, sehr kleine Neuerungen, aber wie gesagt, für mich absolute Highlights.
Auf jede kleine Neuerung und Änderung kann man an dieser Stelle gar nicht eingehen. Teilweise habe ich dies auch schon in den WWDC-Splittern und den iOS-Splittern getan. Nennenswert sind dabei unter anderem die Anzeige des Akkuverbrauchs nach Apps, die automatische Löschfunktion für Nachrichten nach einem bestimmten Zeitraum und die neue Datenschutzeinstellung für die Verwendung der Kamera. Neu ist zudem ein Schalter in den Einstellungen für "Mein iPhone suchen", mit dem man dem iOS-Gerät mitteilen kann, dass es seine letzte Position senden soll, sollte sich der Akku dem Ende entgegen neigen und es somit nicht mehr geortet werden können.
A propos Ortung. Auch bei den Satenschutzeinstellungen für Ortungsdienste wird Apple mit iOS 8 noch einmal nachlegen. Konkret wird hier künftig unterschieden, ob eine App die Ortungsfunktion nur dann nutzen darf, wenn sie gerade in Gebrauch oder auch, wenn sie nur im Hintergrund aktiv ist. Dies muss nicht vom Nutzer manuell nachgepflegt werden, sondern wird automatisch beim ersten Gebrauch der Apps nach der Installation von iOS 8 abgefragt.
Auch in Safari findet sich eine durchaus begrüßenswerte Neuerung. So kann man die aktuell angezeigte Webseite nach unten ziehen und bekommt im Falle einer mobil-optimierten Seite dann die Option angeboten, die Desktop-Variante zu laden. Zudem erleichtert Apple künftig das Eingeben von Kreditkarteninformationen. Diese müssen mit iOS 8 nicht mehr per Hand eingegeben werden, sondern man kann die Kreditkarte abfotografieren, woraufhin die Felder entsprechend automatisch ausgefüllt werden. (via 9to5Mac)
In der Fotos-App findet sich nicht nur eine neue automatische Verbesserungsfunktion, es lassen sich Bilder nun auch in verschiedenen Ansichten ausblenden. Lediglich in den Alben bleiben sie dann weiterhin sichtbar.
In der Telefon-App ist zwar in der ersten Beta von iOS 8 noch nichts davon zu sehen, aber auf den Screenshots auf der iOS 8 Webseite ist bereits zu erkennen, dass Apple offenbar die alte Optik bei einem eingehenden Anruf zurückholen wird. Vor iOS 7 wurde in diesem Fall ein großes Bild der anrufenden Person (falls hinterlegt) angezeigt. Inzwischen bekommt man nur noch einen kleinen Kreis mit dem Bild zu sehen. In iOS 8 wird dies offenbar rückgängig gemacht und man bekommt wieder das große Bild zu sehen.
Und damit kommen wir auch schon langsam in Richtung Ende dieses Artikels. Wer sich für weitere Kleinigkeiten in iOS 8 interessiert, sei auf einen wachsenen Thread im MacRumors-Forum verwiesen. Einleiten möchte ich das Ende des Artikels aber mit dem oben zu sehenden Bild, welches aus dem Bereich "Continuity" stammt, also der anstehenden verbesserten Zusammenarbeit zwischen iOS 8 und OS X Yosemite. Hiermit wird Apple dann endlich auch AirDrop kompatibel zwischen iOS und OS X machen. Allein dies zeigt schon: So schön und begrüßenswert alle Neuerungen, die man jetzt schon in iOS 8 entdecken konnte auch sind, dürften sie nur einen Bruchteil dessen darstellen, was uns im Herbst mit der Veröffentlichung und den darauffolgenden Wochen und Monaten erwartet. Wirklich Spaß wird iOS 8 erst gemeinsam mit OS X Yosemite und den neuen Kolaborationsfunktionen machen.
Doch auch wenn man keinen Mac zu Hause hat, lohnt sich die Freude auf den Herbst. Auch wenn iOS 8 selbst hauptsächlich kleinere (aber umso feinere) Verbesserungen mitbringt, könnte sich die neue Version zum besten iOS aller Zeiten mausern. Der Grund hierfür sind aber weniger die Funktionen, die Apple iOS 8 spendiert, als mehr die neuen Möglichkeiten, die man für die Entwickler geschaffen hat. Die magischen Worte lauten hier zum einen Extensions und zum anderen Frameworks. Mit den Extensions werden sich neben den alternativen Tastaturen und den Widgets auch neue Möglichkeiten zur Inter-App-Kommuniaktion realisieren lassen. Die neuen Frameworks für Touch ID, Camera API, PhotoKit, HealthKit, HomeKit und CloudKit werden vollkommen neue Apps ermöglichen. Und im Bereich der Spiele erhalten die Entwickler mit den Frameworks SpriteKit, SceneKit und Metal bislang ungeahnte Möglichkeiten.
Fazit: Die direkt mit iOS 8 auf die Geräte kommenden Neuerungen sind gute, logische und konsequente Weiterentwicklungen von iOS 7, bieten für den Ottonormalnutzer aber vermutlich erstmal keinen großen Wow-Effekt. Wirklich Spaß machen wird iOS 8 dann im Zusammenhang mit OS X Yosemite und wenn die Entwickler ihre mit den neuen Möglichkeiten von iOS 8 erstellten Apps veröffentlichen. Der Herbst wird großartig!